Liebe Melli, vor gut zwei Jahren war dein Leben eigentlich ziemlich in Ordnung. Du warst Ende 30, hattest zwei Kinder und einen neuen Mann an deiner Seite. Klar, die Pflege deiner Mutter kostete dich auch Kraft, aber im Grunde ging alles seinen Weg, dann wurdest du schwanger. Was waren deine ersten Gedanken?

Als ich erfahren habe, dass ich zum dritten Mal schwanger bin, konnte ich mich einfach nicht freuen.

Wie hat denn dein Partner auf die Schwangerschaft reagiert?

Ich habe meinem Partner – zu dem Zeitpunkt waren wir anderthalb Jahre zusammen – den Test gezeigt, er war sehr zurückhaltend, an seiner Mimik konnte ich nicht erkennen, was er fühlt, wir haben dann auch kaum über den Test gesprochen. Ich konnte mich leider zu dem Zeitpunkt schon überhaupt nicht auf ihn verlassen, in keinster Weise. Mal hat er mich belogen, mal kam er ganze Nächte nicht heim. Er hat mich nicht unterstützt und mich auch nicht gut behandelt.

Er wäre auch nicht der Typ Mensch gewesen, der seine Frau zur Geburt begleitet. Er hat zwar mal gesagt, dass er sich ein Kind wünscht, das ihn später mal pflegt, aber man merkte ihm das nach dem Test nicht an. Man kann leider auch nicht so einfach mit ihm reden, es gibt kein Thema, bei dem es nicht zum Streit kommen kann.

Wie ging es dir körperlich?

Körperlich ging es mir soweit gut. Ich habe zwar beruflich viel gestanden und meine Beine haben nicht mehr so gut mitgemacht, wie ich wollte, außerdem hatte ich noch einen Minijob, der mich recht viel Kraft gekostet hat, aber ich habe alles bis zum Schluss durchgezogen.

Und wie ging es dir seelisch, was ging dir durch den Kopf?

Ich lag natürlich viel wach, habe wenig Schlaf bekommen und irgendwann kam ich zu dem Schluss, dass ich das Baby wohl nicht würde bekommen können. Ich dachte zunächst an Abtreibung. Für mich fühlte es sich an, als sei das die einzig mögliche Option. Ich war schon fast 40 und konnte mir nicht vorstellen, mich um NOCH ein Kind zu kümmern. Meine pflegebedürftige Mutter war auch wirklich gar nicht erfreut. Also stand ich ganz alleine da.

Welche waren deine größten Sorgen?

Meine Sorgen waren unter anderem auch die Finanzen, ich wusste einfach nicht, wie ich das alles schaffen sollte. Ich fragte mich auch, ob ich wohl wieder in Depressionen fallen würde. Das wollte ich auf keinen Fall. Die Lage schien irgendwie aussichtlos. Ich verließ meinen Mann nur nicht, um nicht mit dann ja drei Kindern direkt allein dazustehen.

Was hat dich an dich und das Baby schließlich glauben lassen?

Ich habe mir Gedanken gemacht und mich gefragt, wie ich es später verantworten soll, wenn ich es nicht bekomme. Ich hatte dann auch einen Termin bei der Schwangerschaftsberatung. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, das Kind zu bekommen, um es dann nach der Geburt oder erst Wochen später abzugeben und es adoptieren zu lassen. Zum Glück hatte ich damals schon die Patin in meinem Leben…

Wie konnte dir die Patin helfen, erzählt mal ganz genau…

Ich konnte mich immer bei ihr melden und wusste, dass sie mich nicht verurteilt. Sie hat mir vor allem zugehört. Wenn wieder Zweifel kamen und ich das Baby doch zur Adoption freigeben wollte. Wenn ich lange darüber nachdachte. Als ich zu Beginn noch über eine Abtreibung nachdachte, begegnete ich Brit von „Patin für neun Monate“, die mir dann den Kontakt zu meiner späteren Patin Angelika vermittelt. Bis dahin hatte ich gar nicht gewusst, dass es so etwas Tolles gibt!

Was bedeutet dir ihre Hilfe heute noch?

Die Patin hat mir sehr viel geholfen, sie hat mit mir zum Beispiel auch die ganze Bürokratie erledigt und mir geholfen, die vielen Formulare auszufüllen. Sie hat mir auch Kleidung für Neugeborene mitgebracht, die ich mir nie selbst hätte leisten können.

Wirst du deinem Kind von seiner Geschichte erzählen?

Ich werde dem Kind zu gegebenem Zeitpunkt erzählen, was sein Vater alles mit uns gemacht hat, welche seelischen Schäden er uns zugefügt hat. Vier Wochen nachdem das Kind da war, hat er mich nachts alleine sitzengelassen. So ein Verhalten zeigt mir, dass er kein Interesse an einer Familie hatte.

Am Ende vielleicht aber ganz gut, denn ich konnte ihm nicht mehr vertrauen durch sein Verhalten. Er hatte keinen Respekt und hat auch keine Liebe mehr gezeigt.

Wie geht es euch allen heute?

Ich bin – wie gesagt – nicht mehr mit dem Vater des Kindes zusammen. Wir haben zwar Kontakt, aber er hat keinen wirklichen Bezug. Unser Kind entwickelt sich hingegen sehr gut, die beiden Großen lieben das neue Babygeschwisterchen und die Oma auch… es ist so klein und zart, hat wunderschöne blaue leuchtende Augen, es ist intelligent, fängt jetzt an zu reden und spricht schon die ersten Namen aus…

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