Projektleitung Angelika

Liebe Angelika, du engagierst dich ehrenamtlich als Patin, wie kamst du dazu? 

Ich habe fünf Kinder und inzwischen auch schon vier Enkel. Aber ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als die Kinder klein waren. Da reichte schon eine schlechte Nacht und ich habe mich total überfordert gefühlt. Deshalb habe ich mich dann auch gleich bei Wellcome in Stuttgart, einem ehrenamtlichen Hilfsdienst für Mütter im ersten Jahr engagiert. Dort boten wir praktische Hilfe nach der Geburt an – seit beinahe zwölf Jahren bin ich dabei. Und schon damals dachte ich, so ein Angebot müsste es auch für die Schwangerschaft geben.

Was gibt dir die Arbeit als Patin, wie viele Stunden investierst du in dieses Engagement oder ist das sehr unterschiedlich?

Das ist echt total unterschiedlich. Es gibt Wochen, wo ich nur kurz mit der Frau telefoniere oder mich mit ihr schreibe. Dann wieder braucht sie Hilfe beim Formular ausfüllen oder hat ein akutes Problem, zum Beispiel mit dem Partner.

Erzähl und doch mal von deiner ersten Kontaktaufnahme mit Melli, wie war dein Eindruck?

Von unserem Telefonat wusste ich ja schon einiges. Zwei größere Kinder, 8 und 12, geschieden, und jetzt ein Kind von ihrem neuen Partner, mit dem es aber immer wieder Probleme gab. Die Wohnung war eigentlich jetzt schon viel zu klein und hatte nur drei Zimmer. Nach langem Ringen hatte sie sich für das Baby entschieden, aber sie merkte, sie bräuchte Hilfe von außerhalb der Familie. Wie schon manchmal war ich überrascht von ihrer Offenheit.

Wie konntest du ihr dann ganz konkret helfen?

Ich war mit ihr bei der Beratungsstelle, habe bei Formularen geholfen und ihr Babysachen ausgeliehen, bzw. hatten Freunde von mir noch einige Sachen übrig.

Wie oft habt ihr euch getroffen und begleitest du dann auch die Geburt, wenn das gewünscht ist?

Im Durchschnitt haben wir uns so alle drei Wochen getroffen. Dazwischen oft gewhatsappt. Wenn sie es gewollt hätte, wäre ich zur Geburt mit gegangen. Es war ein geplanter Kaiserschnitt, da hätte ich aber nicht viel unterstützen können.

Hast du das Gefühl, mit deiner Hilfe auch schon so manches Baby und auch so manche Mama „gerettet“ zu haben?

Ja, das denke ich schon! Manchmal bekomme ich das mit, manchmal nicht – das ist völlig okay so! Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie stark viele Frauen sind, wenn sie ein wenig Unterstützung im richtigen Augenblick bekommen. Empowerment, um mal ein neues Wort zu gebrauchen.

Fühlst du dich manchmal ein bisschen wie das Dorf, das es im Grunde braucht, um ein Kind großzuziehen und das aber eben heute nicht mehr existiert?

Ja, absolut! Und deshalb hoffe ich, dass sich ein paar andere anstecken lassen, die vielleicht auch Lust haben, Patin zu werden!

Was war das bislang Schönste, das du als Patin bislang erlebt hast und das du niemals vergessen wirst?

Erst vor ein paar Tagen habe ich eine Frau getroffen, die ich vor sechs Jahren begleitet habe. Das war mein erster Einsatz als Patin überhaupt. Die junge Frau war zum zweiten Mal ungeplant schwanger, hatte gerade wieder ihre unterbrochene Ausbildung aufgenommen. Die spontane Reaktion von ihr und ihrem Partner war: Ein zweites Kind geht gar nicht! Mein Gefühl bei unserem ersten Gespräch war: Vom Herzen her wollte sie das Kind, aber es gab so viele total verständliche Gründe, die dagegensprachen.

Ich signalisiert ihr: Ich habe Zeit für dich und unterstütze dich, wo du es brauchst. Als Erstes begleitete ich sie zur Beratungsstelle. Inzwischen war sie beim Frauenarzt gewesen und hatte ihr Baby im Ultraschall gesehen. Da war ihr klar, sie würden das Baby bekommen! Ich freute mich riesig!

In der Zeit danach war eigentlich gar nicht so viel Unterstützung nötig. Zusammen mit ihrem Partner packte sie an, was zu tun war. Nach der Geburt sagte sie: Mein zweites Kind hat mir geholfen, Struktur in mein Leben zu bringen.

Letzte Woche nun habe ich ihre Tochter wiedergesehen, inzwischen fünf Jahre alt. Sie sagte: Unvorstellbar, dass es sie vielleicht nicht geben würde. Sie ist der Sonnenschein für ihren Opa!

Mir ging es genauso. Und ich wünsche noch vielen Frauen so eine Erfahrung.

Wenn das Baby total ungeplant kommt – es gibt Hilfe!

Foto: privat